La Fonte: Reise zur Quelle der italienischen Literatur

Im April 2021 hatte es, frei nach Klaus Lage, das erste Mal Zoom gemacht. Mitten im Corona-Lockdown hatte sich Silvia Chiarini mit zwei befreundeten ehemaligen Buchhändlern via Videokonferenz zu einem ersten Austausch getroffen. Das gemeinsame Ziel: die Organisation eines italienischen Literaturfestivals in Wien. Dass es Interesse an italienischen Literatur sowie Lesungen in Wien gibt, wusste die Buchhändlerin von Hartliebs in der Porzellangasse aus eigener Erfahrung, denn die meist zweisprachig abgehaltenen Veranstaltungen erfreuen sich dort regelmäßig großer Beliebtheit. „Aber ein Literaturfestival ist organisatorisch natürlich etwas ganz Anderes“, erzählt Silvia Chiarini knapp zwei Jahre später im Gespräch mit Books in Vienna. „Das kann man nicht alleine organisieren und man muss zum Beispiel wissen, wie man ein Budget aufstellt, wie man Sponsoren findet und vieles mehr.“ Weil bei allen Dreien, trotz aller Herausforderungen, die Überzeugung vorherrschte, dass Wien ein italienisches Literaturfestival verdient, machten sie sich trotzdem eifrig ans Werk.

Learning by doing

Es folgte viel Learning by doing, es wurden Partner an Bord geholt wie das Italienische Kulturinstitut in Wien oder der Eissalon Bortolotti und kurze Zeit später stand bereits das Programm für die erste Auflage von La Fonte Vienna im Odeon Theater. Der Zeitpunkt Ende Februar 2022 war bewusst gewählt worden, denn spannende italienische Autor*innen konnten nur dann nach Wien gelockt werden, wenn nicht gleichzeitig in Deutschland oder Italien große Literaturevents auf dem Programm standen. Und natürlich wollte man auch keiner Literaturveranstaltung in Wien Konkurrenz machen. Auch mit Blick auf Corona erwies sich der Zeitpunkt schließlich als goldrichtig, denn kurz zuvor endete der Winterlockdown und die Menschen waren sehnsüchtig auf der Suche nach Kulturveranstaltungen. „Es hat damals aufgrund der Coronasituation natürlich Stimmen gegeben, die gesagt haben, wir sollten das Festival verschieben. Aber im Nachhinein erwies sich alles als gutes Timing. Man muss manchmal einfach stur sein und auch dann noch weitermachen, wenn viele andere vielleicht aufgeben würden“, blickt Chiarini zurück und lacht.

Neuauflage von La Fonte zwischen 3. und 5. März 2023

Der große Erfolg und das positive Feedback der ersten Auflage von La Fonte („die Quelle“) machten schnell klar, dass es heuer eine Neuauflage des Festivals geben wird. Und diese wird in Anlehnung an ein Zitat aus Die unsichtbaren Städte von Italo Calvino, einem der bekanntesten italienischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, ganz im Zeichen des Dialogs stehen („Ogni volta che si entra nella piazza ci si trova in mezzo ad un dialogo“ – „Jedesmal, wenn man die Piazza betritt, findet man sich mitten in einem Dialog wieder“). Sonntagvormittag (5.3., 11 Uhr) steht mit dem Gespräch der beiden Autoren Claudio Magris und Paolo Di Paolo nicht nur ein Dialog auf dem Programm, sondern eine Rückkehr der ganz besonderen Art. Denn die beiden werden sich über Magris’ Buch Der habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur austauschen, das seinen Ursprung in Magris’ Diplomarbeit hat, die dieser in den 1960ern in Wien begonnen hatte.

„Hätte nie mit einer Zusage gerechnet“

Einen besonderen Wien-Bezug hat auch die Lesung von Sandra Petrignani (3.3., 20:30 Uhr), die ihr Buch Die Freibeuterin. Das Leben der Natalia Ginzburg eigentlich schon im März 2020 bei Hartliebs in der Porzellangasse vorstellen wollte. Ein Vorhaben, das damals von Corona durchkreuzt worden war und nun nachgeholt wird. Kurz zuvor an diesem Abend, um 18:30 Uhr wird Giacomo Papi, dessen Italica im Vorjahr erschienen ist, in einem Gespräch mit Silvia Chiarini über das italienische 20. Jahrhundert das Festival eröffnen.

Der zweite Festivaltag wird um 11 Uhr von Guido Tonelli mit Chronos. Eine physikalische Reise zu den Ursprüngen der Zeit eröffnet („er ist ein sehr bekannter Physiker am CERN in Genf, mit seiner Zusage hätte ich niemals gerechnet“, betont Silvia Chiarini), es folgt Daniele Mencarelli mit Für die Kämpfer, für die Verrückten (15 Uhr, die gleichnamige Serie erschien im Vorjahr auf Netflix) und schließlich Donatella Di Cesare (17 Uhr, Das Komplott an der Macht) und Chiara Gamberale (20 Uhr, Im Vaterleib).

Literaturfestival für alle Wiener*innen

Am dritten und letzten Festivaltag folgt auf das bereits erwähnte Gespräch zwischen Claudio Magris und Paolo Di Paolo die Kinderlesung mit Barbara Cantini (15 Uhr, „im Vorjahr hat Annalisa Strada eine Stunde lang Geschichten erzählt und als sie im Anschluss gesagt hat, dass es jetzt Eis gibt, hat das die Kinder erst gar nicht interessiert, weil sie weiter Geschichten hören wollten“). Und natürlich wird im Programm auch der hundertste Geburtstag des 1985 verstorbenen Italo Calvino gewürdigt (17 Uhr, mit Paolo Di Paolo). Den Abschluss bildet am Sonntag um 20 Uhr der Krimiabend mit Cristina Cassar Scalia (Tödliche Klippen) und Ilaria Tuti (Bitterkalter Tod). „Auch bei diesem Programmpunkt dreht sich alles um den Dialog“, betont Silvia Chiarini. „Ein Dialog der Regionen, denn die Krimis spielen in Nord- und Süditalien. Und zusätzlich ein Dialog mit Nicole List, Buchhändlerin und Moderatorin des letzten Programmpunkts, die über eine unglaubliche Krimierfahrung verfügt.“ Bis auf die Kinderlesung finden alle Veranstaltungen im Rahmen von La Fonte zweisprachig, also inklusive deutscher Übersetzung, statt. „Das war mir wichtig, weil wir ja nicht nur die in Wien lebende italienische Community ansprechen wollen, sondern auch alle Wienerinnen und Wiener“, sagte Chiarini.

Mutig, naiv, begeistert

Die im April 2021 geborene Idee, innerhalb kürzester Zeit, mitten in den Wirrungen der Covid19-Pandemie, einfach mal eben ein neues Literaturfestival auf die Beine zu stellen, bezeichnet Chiarini im Gespräch rückblickend als „sehr mutig, vielleicht ein bisschen naiv, definitiv sehr begeistert. Aber vielleicht war es gerade deshalb ein so großer Erfolg.“ Man sollte den Organisator*innen jedenfalls sehr dankbar sein, dass sie sich mit Mut, Naivität und Begeisterung ans Werk gemacht haben, denn ohne das La Fonte Vienna wäre Wien um ein spannendes Literaturfestival ärmer.

La Fonte Vienna findet heuer zwischen dem 3. und 5. März 2023 im Odeon Theater im 2. Bezirk statt. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen beträgt jeweils sieben Euro (Ausnahme Kinderlesung 2 Euro), der Festivalpass La Fonte Gold, mit dem alle Veranstaltungen besucht werden können, kostet vierzig Euro.

get in contact: La Fonte Vienna im Odeon Theater (Taborstraße 10, 1020 Wien) – www.lafontevienna.com