„Ich bin ein analoger Typ“

Von seiner Lehrlingsentschädigung als Buchhandelslehrling hat sich Baruch Pomper damals die Monatsmiete für sein erstes WG-Zimmer leisten können. Seiner späteren Frau ist er ebenfalls während besagter Buchhandelslehre über den Weg gelaufen. Das Medium Buch hat also durchaus immer schon eine tragende Rolle in seinem Leben gespielt, auch wenn Baruch lange Jahre sein Geld mit anderen Jobs verdient hat (zuletzt war er als Straßenbahnfahrer für die Wiener Linien unterwegs). Für ihn also wohl Grund genug, es vielleicht doch mal mit einer eigenen Buchhandlung zu versuchen – und mit was für einer!

Schon die Lage in der vor drei Jahren zur Begegnungszone umgestalteten Otto-Bauer-Gasse, gleich gegenüber vom Café Jelinek, spielt alle Stückerln. Betritt man dann erst das Geschäftslokal, ist man als Besucher*in schnell überzeugt, dass Baruchs Entscheidung, eine eigene Buchhandlung zu eröffnen, goldrichtig war. Die edlen Regale aus Holz, die Galerie, auf der ein Fahrrad den Unterbau für einen Büchertisch darstellt, der Samowar, aus dem einem sofort nach Betreten der Buchhandlung ein Tee angeboten wird – all das macht schon mächtig Eindruck. Und obwohl die Buchhandlung noch nicht mal ein Jahr alt ist, wirkt es so, als ob es sie an diesem Ort schon ewig geben, quasi zum Inventar des sechsten Bezirks gehören würde.

Ein echter Glücksfall

Eröffnet wurde sie jedoch erst am Vorabend des Nationalfeiertags des vergangenen Jahres, „nicht weil wir so patriotisch sind, sondern wir wollten einfach so schnell wie möglich aufsperren und möglichst viel vom Weihnachtsgeschäft mitnehmen“, erzählt Baruch im Gespräch mit Books in Vienna. Rund fünf Monate lagen zwischen der Kündigung seines alten Jobs und der Eröffnung der Buchhandlung Analog. Gelungen ist dies u.a. mit Hilfe zahlreicher Kommanditist*innen, die ihm die Fremdfinanzierung via Bank ersparten sowie mit großem Glück bei der Suche nach einem passenden Geschäftslokal. „Ich war ziemlich offen, was die Lage der Buchhandlung betraf. Wichtig war mir nur, dass es nicht schon zu viele Grätzlbuchhandlungen in der Nähe gibt“, erzählt Baruch. „Das hier war dann ein echter Glücksfall“, fährt er fort. „Hier gibt es zwar bereits den Krimisalon und das phil in der Umgebung, aber ich glaube, wir nehmen uns da gegenseitig nicht viel weg. Krimis funktionieren bei mir zum Beispiel eher nicht so gut. Und der Thalia auf der Mariahilfer Straße ist in puncto Sortiment und Zielgruppe dann doch etwas ganz Anderes.“

Was in seiner Buchhandlung anstelle von Kriminalromanen sehr wohl funktioniert, lernt Baruch nun Tag für Tag in der Praxis und in den Gesprächen mit seinen Kund*innen. Jene Bücher, die zum Beispiel beim Thalia auf der MaHü Bestseller sind, bleiben bei ihm oftmals unangetastet. „Ich habe nicht unbedingt das Gefühl, dass die Leute hier ein Bestsellersortiment erwarten. Ich habe bisher zum Beispiel nur eine Handvoll Fitzeks verkauft, dafür aber einen ganzen Stapel mit Büchern aus dem März-Verlag. Und ich stelle immer wieder erfreut fest, dass die Leute auch Lyrik kaufen.“

Zu wenige Dinosaurier und Einhörner

Dass sich Bücher von der Bestsellerliste nicht wirklich in der Buchhandlung Analog verkaufen, bedeutet übrigens nicht, dass sich Baruch nicht trotzdem gerne von seiner Kundschaft auf Trends oder Must-haves hinweisen lässt. „Ich bin bei den Kinderbüchern dafür gescholten worden, dass ich die Schule der magischen Tiere nicht lagernd hatte und generell viel zu wenig Dinosaurier- und Einhornbücher im Sortiment habe. Das habe ich mir dann natürlich zu Herzen genommen“, sagt Baruch und lacht. Regelmäßig werden thematische Schwerpunkte gesetzt und im Eingangsbereich der Buchhandlung prominent zur Schau gestellt. Zuletzt waren dies zum Beispiel ein Burgenland- und anschließend ein Japan-Schwerpunkt. „Es gibt wirklich tolle Bücher, die sonst vielleicht ein bisschen untergehen würden. Wenn man sich aber aktiv bemüht und es den Leuten nett präsentiert, verkauft es sich natürlich auch“, zeigt sich Baruch zufrieden. „Zu sehen, wie solche Pläne dann in der Praxis aufgehen, macht natürlich Spaß.“

Viele dieser aufgegangenen Pläne sind übrigens Resultat echter Teamarbeit, denn die Finanzierung per Kommanditist*innen hat es mit sich gebracht, dass dem frischgebackenen Buchhändler auch im Alltagsgeschäft viele der Geldgeber*innen zur Hand gehen. Das passierte nicht nur bei der Renovierung des Geschäftslokals (ursprünglich befand sich hier ein Stoffhändler, danach befand sich hier eine Antiquitätenhandlung) im vergangenen Herbst, sondern spiegelt sich zum Beispiel auch in der Sortimentsgestaltung wider. Seine Frau, ebenfalls Kommanditistin, unterstützt regelmäßig im Verkauf und die Bewerbung der regelmäßigen Veranstaltungen wird genauso von Unterstützer*innen übernommen wie die Produktion des buchhandlungseigenen Podcasts.

„Aus der realen Welt kommen wir so schnell nicht raus“

Darin liegt auch die Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs, warum eine Buchhandlung mit dem Namen Analog sich einen eigenen Podcast leistet und zum Beispiel auch auf Social Media sehr präsent ist. „Ich bin ja schon eher ein analoger Typ und habe zum Beispiel bis vor Kurzem kein Smartphone gehabt, sondern lediglich so ein Drogenhändlerhandy mit Tasten, das man zur Not auch mal vergessen oder verlieren kann“, sagt Baruch und lacht. „Das habe ich nur als Notfallhandy gehabt, damit mich meine Familie erreichen kann.“ Er selbst sei nach wie vor sehr skeptisch, wenn es darum geht, Zeit in virtuellen Räumen zu verbringen. „Eh klar, es gibt so viele Probleme in der Welt, Klimaschutz, Krieg, da wendet man sich mitunter von den realen Krisen ab und flieht lieber in die virtuelle Welt. Aber es hilft ja alles nichts, denn am Ende leben wir nun mal in dieser einen realen Welt. Da kommen wir so schnell nicht raus.“

„Viele Leute glauben, dass man als Buchhändlerin oder Buchhändler total im Nachteil ist gegenüber der digitalen Welt. Dabei ist es eigentlich umgekehrt. Bücher genießen einen großen Vorzug, denn auf diese kann man sich voll und ganz einlassen, ohne all die ständigen Ablenkungen. Und aus Buchhändlersicht finde ich es total richtig, diesen Vorteil auch tatsächlich als solchen zu präsentieren“, erklärt Baruch mit Nachdruck. Wenig Freude hat er dementsprechend zum Beispiel mit Büchern, die Kindern schon im frühesten Alter via QR-Code dazu verleiten wollen, ein Handy in die Hand zu nehmen. „Da hat man das Kind endlich mal vom Bildschirm wegbekommen und dann verleitet man es erst wieder via Buch dazu, das Handy in die Hand zu nehmen“, wundert sich der Buchhändler.

Analoger Typ weiß um virtuelle Notwendigkeit

Also zurück zur Frage, wie ein Podcast zu einer solch’ analogen Einrichtung passt? „Ich habe bis heute noch nie einen Podcast gehört, aber mein Freund Ali Cem Deniz hat gemeint, dass wir aus unseren Veranstaltungen einen Podcast machen könnten. Also macht er das jetzt gemeinsam mit zwei Anderen. Ich finde das total lässig von ihnen, genauso wie ich es von meiner Tochter Maryam total gut finde, dass sie sich um die Social-Media-Kanäle kümmert. Denn natürlich weiß auch ein analoger Typ wie ich, dass man heutzutage auf solchen virtuellen Kanälen präsent sein muss. Umso froher bin ich, das ich das nicht selbst machen muss.“

Sieht also so aus, als ob das analoge Medium Buch im Leben des Baruch Pomper noch eine ganze Weile eine tragende Rolle spielen wird. „Wenn das hier mal ein sozialer Ort für alle Arten der Literatur werden sollte, wäre ich schon extrem zufrieden“, sagt Baruch am Ende des Gesprächs. Und dann folgt ein Nachsatz, den wohl viele selbstständige Buchhändler*innen so unterschreiben würden: „Und wenn ich dann eines Tages auch mal wieder auf Urlaub gehen könnte, wäre es wirklich perfekt.“

Wer sich selbst ein Bild von der Buchhandlung in der Otto-Bauer-Gasse machen möchte und dies gerne im Rahmen einer Veranstaltung tun würde, kann dies am 18. April 2023 (19 Uhr) bei der Lesung mit Andrea Krakora und Stefanie Pichler tun, die ihr Buch Die wundersame Gasse (Achse Verlag) präsentieren werden.

get in contact: Buchhandlung Analog – Otto-Bauer-Gasse 6/1, 1060 Wien – www.buchhandlunganalog.at – Die Buchhandlung Analog auf Instagram und Facebook