Landpartie 2023-II: In Schwechat gilt die buchhändlerische Schweigepflicht

„O Schreck, o Graus, ich fürcht’ mich so, es gibt ihn doch, den Grüffelo!“ Wenn Elisabeth Strini den Mädchen und Buben in den Kindergärten von Schwechat diese Worte vorliest, hat sie die Aufmerksamkeit der meisten Kinder. Spätestens wenn dann kurz darauf der Grüffelo in voller Lebensgröße mit seiner Pfote an die Tür klopft und seinen riesigen Kopf hereinsteckt, sind alle Kinder vollends im Grüffelo-Fieber. „Selbst die Goschertsten werden dann ein bisserl aufmerksamer“, erzählt die Buchhändlerin im Gespräch mit Books in Vienna und lacht.

Vor zehn Jahren ist Elisabeth Strini zum ersten Mal auf Walking-Acts, also Schauspieler, die mit ihren Kostümen in die Rolle von Kinder-Lieblingen schlüpfen, aufmerksam geworden. „Ich hab’ mir gedacht, dass ich das ja auch einfach mal ausprobieren kann. Das ist damals so gut angekommen, dass wir das seither – mit Unterbrechung während der Corona-Pandemie – jeden Herbst machen.“ Das wir besteht in diesem Fall aus der Buchhändlerin und einem guten Bekannten, der sich Jahr für Jahr für die Auftritte in ein anderes Outfit zwängt. „Das ist gar nicht so einfach, der Kopf des Kostüms ist richtig schwer und muss abgestützt werden. Und weil man durch das schmale Sichtgitter nicht mal die eigenen Füße sieht, fällt auch das Gehen eher schwer.“

Gemeinsam ziehen die beiden dann an mehreren Tagen hintereinander los, zu Kindergärten und Schulen, zwei bis drei Lesungen pro Vormittag. „Das kann auch schon mal anstrengend sein, man will die Kinder ja in seinen Bann ziehen und währenddessen auch auf sie eingehen. Insbesondere für meinen Bekannten ist so ein halber Tag in dem schweren Kostüm eine echte Herausforderung, vor allem wenn es warm ist. Aber es macht uns einfach so viel Spaß“, erzählt Elisabeth Strini, die von Kindern auf der Straße auch schon mal als „die Frau vom Grüffelo“ begrüßt wird. Wobei nicht nur das braune Ungeheuer mit den Stoßzähnen dank Elisabeth Strini regelmäßig auf Tour durch die Schwechater Schulen und Kindergärten geht, sondern auch berühmte Kollegen wie Leo Lausemaus, Drache Kokosnuss, der kleine Rabe Socke oder Tafiti, das kleine Erdmännchen.

„Wir kaufen sehr kundenorientiert“

Passend zu den herbstlichen Lesetouren findet sich in der Buchhandlung am Schwechater Hauptplatz auch eine gut bestückte Kinderbuchabteilung. Ansonsten führt Elisabeth Strini ein allgemeines Sortiment, „aufgrund der bescheidenen Größe kann ich keinen besonderen Schwerpunkt setzen.“ Weil das Platzangebot beschränkt ist, ist es umso wichtiger, seine Kundschaft gut zu kennen. „Wir haben natürlich auch die Bestseller hier, ansonsten kaufen wir aber sehr kundenorientiert. Wenn die Vertreter mit ihren Katalogen kommen, habe ich immer schon im Kopf, für welche Kundin und für welchen Kunden das jeweilige Buch interessant sein könnte.“

Und nicht weniger erwartet die Schwechater Kundschaft auch, „die Leute merken, dass meine Kollegin und ich uns auskennen und dass wir wissen, was sie gerne lesen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass ich weiß, welches Geschenk ich der Frau Müller für die Tochter von der Frau Maier empfehlen kann, weil ich alle beteiligten Personen kenne. Das ist nicht nur für die Kundinnen und Kunden angenehm, sondern reduziert auch die Umtausche immens.“

Großes Einzugsgebiet

Eben weil man sich trotz des großen Einzugsgebiets (zur Kundschaft zählen auch Leser*innen aus angrenzenden niederösterreichischen Gemeinden sowie aus dem 10. und 11. Wiener Gemeindebezirk) in Schwechat am Hauptplatz kennt, kann es auch schon mal zu dem ein oder anderen Einblick in das Privatleben der Kund*innen kommen. „Wenn ein Kunde vor Weihnachten hereinkommt und seiner Frau ein Buch kaufen will, wir aber zum Beispiel wissen, dass seine Frau ihm dasselbe Buch schenkt, versuchen wir schon, ihm durch die Blume mitzuteilen, dass er ihr vielleicht ein anderes Buch schenken könnte“, erzählt Strini. Oder aber jener Mann, der bei Strinis Kollegin einen Scheidungsratgeber gekauft hat. „Seine Frau hat drei Wochen zuvor den gleichen Scheidungsratgeber bei uns bestellt. Wir haben aber dicht gehalten“, erzählt Strini und verweist auf die buchhhändlerische Schweigepflicht.

Besagte Schweigepflicht hat Strini nach rund vierzig Jahren in der Branche längst verinnerlicht. Gelernt hat sie bei Hintermayer in der Wiener Neubaugasse, drei Stunden ist sie dafür pro Tag nach Wien und wieder zurückgependelt. „In Schwechat hat es noch keine Buchhandlung gegeben, also war klar, dass ich dafür nach Wien muss.“ So wirklich gestört hat der lange Fahrtweg die „g’standene Schwechaterin“ allerdings nicht, bot sich somit doch viel Zeit zum Lesen. „Einmal habe ich beim Zentralfriedhof sogar die Station zum Aussteigen verpasst, weil ich so sehr ins Lesen vertieft war.“ In ihren Teenagerjahren hat Elisabeth Strini querbeet gelesen, unter anderem die damals 300 erhältlichen Rowohlt-Bildmonographien hatte sie sich vorgenommen („geschafft habe ich dann aber nur 120“), dazu Liebesromane („zum Beispiel die Angélique-Reihe, mit 15 ist man halt auf solche Liebesromane gestanden“), historische Sachbücher, Fantasy und Science Fiction.

Vorliebe für Science-Fiction

Letzteren, also Sachbüchern und Fantasy, ist sie bis heute treu geblieben, wobei es nach all den Jahren schwer für sie sei, im Fantasy-Genre noch Überraschendes oder Neues zu finden. Und ihrer Vorliebe für Science-Fiction ist auch das Vorhandensein der klassischen silberfarbenen Perry-Rhodan-Bände in ihrer Buchhandlung zu verdanken, die auch heute noch von einigen ihrer Stammkunden im Abo gelesen werden.

Nach der Lehrzeit in Wien begann sie 1985 in der Schwechater Buchhandlung am Hauptplatz. Als ihr Vorgänger 2001 in Pension ging, übernahm sie das Geschäft. Als Obfrau der lokalen Kaufleute-Vereinigung initiiert sie immer wieder gemeinsame Veranstaltungen und Aktivitäten, wie zum Beispiel die Tannenbaumaktion, bei der in der Weihnachtszeit vor den Geschäften am Hauptplatz Bäume aufgestellt werden, die in der Folge von Geschäftsleuten oder Schwechater Vereinen geschmückt werden. „Einmal haben wir uns in der Buchhandlung die Mühe gemacht und fünfzig folierte Pixibücher am Baum vor unserem Geschäft angebracht. Schon im Sommer haben wir damit begonnen, all’ die Pixis zu folieren. Wir dachten, dass wir die dann alle Jahre wieder dafür verwenden können. Aber leider haben uns Witterung und Abgase einen Strich durch die Rechnung gemacht, nach Weihnachten haben wir die Pixis wegwerfen müssen.“

Und dann klopft es plötzlich am Ende des Gesprächs an der verschlossenen Glastür der Buchhandlung. Ein leises Quietschen, ganz unscheinbar nur, verrät, dass die Tür kurz darauf geöffnet wird. Sofort kommen dem Buchblogger die eingangs erwähnten Worte der Maus in den Kopf, die diese spricht, als sie den Grüffelo erblickt. O Schreck, o Graus, ich fürcht’ mich so, es gibt ihn doch, den Grüffelo! Steht er jetzt dort und winkt mit seiner riesigen Pfote? Doch statt eines braunhaarigen Ungetüms grüßt lediglich einer der befreundeten Geschäftsinhaber vom Hauptplatz durch die Tür, lacht und geht wieder seines Weges. Ihr Grüffelo-Walking-Act, so beruhigt Elisabeth Strini anschließend, schaut erst ab dem 25. September wieder in Schwechat vorbei. Die Schwechater Kinder dürfen sich also schon mal freuen.

get in contact: Buchhandlung am Hauptplatz – Hauptplatz 15, 2320 Schwechat – www.buch-schwechat.at – Die Buchhandlung am Hauptplatz auf Facebook

Anreise: Vom Wiener Hauptbahnhof bringen euch die ÖBB per REX und S-Bahn in ca. 15 Minuten direkt nach Schwechat.

Und wenn man schon in Schwechat und Umgebung ist …

kann man zum Beispiel im Eisenbahnmuseum mit der Schmalspurbahn fahren, im Flip Lab die eigenen Trampolin-Skills verbessern oder eine Tour über den nahen Flughafen unternehmen.