Landpartie 2023-III: Ganz viel Esprit, Buchliebe und ein bisschen Heckmeck

„Ich lebe eher im Hier und Jetzt“, beantwortet Barbara Sohm die Frage, wo sie sich denn mit ihrer Buchhandlung in fünf Jahren sieht. Und ergänzt: „Vielleicht stehe ich, so wie die Anna Jeller, noch ganz lange in meiner Buchhandlung. Vielleicht habe ich die Buchhandlung an eine Nachfolgerin übergeben. Eigentlich kann ich das wirklich nicht sagen. Nach allem, was in den letzten Jahren passiert ist, plane ich nicht sehr weit in die Zukunft.“

Dazu passt auch die Gründungsgeschichte ihrer Buchhandlung. Eigentlich war die Buchhändlerin der Buchbranche schon ausgekommen und als selbstständige Heilpraktikerin in Deutschland unterwegs. „Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Dornbirner Bücherei bin ich aber immer irgendwie mit Büchern in Kontakt geblieben. Als eine Freundin dann mal ein leeres Geschäftslokal zur Verfügung hatte, hat sie sich daran erinnert, dass ich früher mal von einer eigenen Buchhandlung geschwärmt habe.“ Besagte Freundin offerierte also das Lokal. „Ich hab’ erst gedacht sie spinnt. Ich war ja zufrieden mit meinem Job und es hat alles gepasst. Aber dann hat es in mir gearbeitet“, erzählt sie im Gespräch mit Books in Vienna. Resultat des gedanklichen Arbeitsprozesses war im Oktober 2019 die Eröffnung der Buchhandlung Rapunzel, damals noch in einem kleinen denkmalgeschützten Haus in der Klostergasse.

„Und dann kam Corona“, fährt Barbara Sohm fort, während immer wieder Kundinnen und Kunden zu uns in den hinteren Bereich der Buchhandlung kommen, wo sich Bar, Kaffeemaschine, Kühlschrank (Anm.: zu dessen Inhalt kommen wir noch im Verlauf des Gesprächs) und Arbeitsplätze befinden. Zum „Hallo“ sagen, zum Schwätzen oder um die Buchhändlerin auf ein gerade gelesenes Buch hinzuweisen. „Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 war für mich dann eigentlich ein richtiger Push. Obwohl ich gerade erst frisch offen hatte, haben mich die Leute aus der Umgebung total unterstützt. Nicht nur mit Bestellungen, sondern zum Beispiel auch beim Ausliefern der Bücher. Ein Kunde ist mit seinem Rennrad im Bregenzerwald unterwegs gewesen und hat dort für mich Bücher ausgetragen, ein anderer hat die Bestellungen aus dem Oberland mit dem Auto ausgeliefert. So schlimm und angespannt die Situation damals grundsätzlich auch war, hatte das doch auch ein bisserl einen Abenteuercharakter. Da hat man zemma ghebt und einfach g’macht was möglich war. Ohne diesen Spirit wäre alles viel schwieriger gewesen, weil ich ja mangels Vorjahresumsätzen auch kaum Unterstützung vom Staat bekommen habe.“

Am jetzigen Standort befindet sich die Buchhandlung seit Sommer 2021, der Umzug war ein ziemlicher „Heckmeck. Wir waren zu dritt und haben an einem Sonntag alles in Schachteln gepackt. Als wir gemerkt haben, dass wir viel zu wenige Schachteln haben, haben wir einen Aufruf auf Facebook gestartet. Die Leute haben uns dann irrsinnig viele Kisten gebracht.“ Solche Geschichten verdeutlichen, was Barbara Sohm meint, wenn sie sagt, „dass man als Unternehmerin ein gutes soziales Netz braucht“, zu dem in ihrem Fall auch ihre beiden Töchter und ihr Mann gehören.

Unabdingbarer Teil nicht nur des Netzwerks sondern auch der Buchhandlung sind ihre drei Mitarbeiterinnen. „Ohne Belinda, Margot und Tanja könnte ich das alles hier nicht machen. Wir sind als Team grundverschieden und decken dadurch ein sehr breites Spektrum ab.“ Schlüssel zum Erfolg sei, dass man aufeinander Rücksicht nehme und den Kolleg*innen Entscheidungsfähigkeiten überlasse und die Menschen nicht verändern, sondern ihre Fähigkeiten fördern will. Und gemeinsam als Team lässt es sich auch viel besser über Erfolge wie die Auszeichnung zur Buchhandlung des Jahres 2023 freuen (in der Jurybegründung heißt es u.a. „Barbara Sohm und ihr Team versprühen Esprit und Liebe zu Büchern und dem kann man sich als Kunde nur schwer entziehen“). All die Sektflaschen, die die Stammkund*innen im Anschluss als Gratulation vorbeigebracht haben, füllen noch immer den Kühlschrank im hinteren Bereich der Buchhandlung.

Zu bieten hat die Buchhandlung Rapunzel ein gut sortiertes allgemeines Sortiment mit „ganz viel zeitgenössischer Belletristik und mit viel Wertschätzung für Verlage aus der Schweiz“, betont Barbara Sohm und zählt als Beispiele Unions- und Rotpunktverlag sowie den Limmat Verlag auf. Auch kleinere heimische Verlage haben es ihr angetan, zum Beispiel der Salzburger Otto-Müller-Verlag oder die Edition Atelier aus Wien „Die Kundinnen und Kunden auf die Bücher aus diesen eher unbekannteren Verlagen aufmerksam zu machen, entspricht für mich dem klassischen Vermittlungsauftrag einer Buchhändlerin. Deswegen kommen die Menschen ja zu uns.“

Und natürlich gibt’s hier in der Dornbirner Bahnhofstraße auch Kinderbücher, ohne die eine Buchhandlung namens Rapunzel nicht auskommen kann, auch wenn der Name des Geschäfts eigentlich mehr mit Barbara Sohms eigener Kindheit zu tun hat. „Der Papa hat bei uns hin und wieder aus den Grimm’schen Hausmärchen vorgelesen. Das waren für mich immer ganz besondere Momente und im Nachhinein betrachtet der Beginn meiner Leidenschaft für Bücher.“ Rund die Hälfte des Sortiments, so schätzt Sohm, geht auf das Konto der Kinderbuchabteilung, in der es auch eine eigene kleine Spielecke gibt („damit die Eltern auch mal in Ruhe Bücher schauen können“).

Sortiment und Beratung der Buchhandlung Rapunzel wissen übrigens auch die Kund*innen aus der nahen Schweiz zu schätzen. „Vor allem an den Markttagen, also Mittwoch und Samstag, kommen sehr viele Schweizer her. Bücher sind in der Schweiz extrem teuer, das führt hier zu einem ziemlichen Bücherkauftourismus“, erzählt Barbara Sohm.

Hoch im Kurs stehen bei Barbara Sohm und ihren Kolleginnen auch Autor*innen aus der Region, wobei es der Buchhändlerin wichtig ist zu betonen, dass „Lokalität allein noch nichts über die Qualität eines Werkes aussagt. Am Ende muss uns das Buch inhaltlich gefallen, damit wir es in unser Sortiment nehmen.“ Lokalmatador*innen, deren Bücher sie sehr gerne in die Regale der Buchhandlung gestellt hat, sind zum Beispiel Wolfgang Herrmann (zuletzt erschien Bildnis meiner Mutter im Czernin-Verlag), Krimi-Autor Peter Natter, Kinderbuch-Autorin Irmgard Kramer (präsentiert am 5. Oktober 2023 in der Buchhandlung Rapunzel Ida Butterblum) oder Mundart-Autorin Julia Rietzler („sie schreibt wunderschöne Liebesgedichte auf Englisch und Deutsch“).

Und natürlich gibt es da noch ganz viele andere Autor*innen, die ihr während des Gesprächs nicht einfallen wollten, weswegen es ihr ein großes Anliegen ist, auf die Unvollständigkeit ihrer Aufzählung hinzuweisen. Damit befindet sich Barbara Sohm in guter Gesellschaft, handelt es sich dabei doch um ein Grundproblem eines jeden Buchhändlers bzw. einer jeden Buchhändlerin: Es gibt einfach zu viele gute Autor*innen und Bücher. Und gefühlt werden es mit jedem neuen Herbst- und Frühjahrsprogramm mehr. „Mal auf Pause drücken, eine Saison auslassen und ein halbes Jahr lang nur lesen, was neu ist – das wäre toll“, sagt Barbara Sohm, die Buchhändlerin, die voll und ganz im Hier und Jetzt verortet ist.

„Die Korrektur des Horizonts von Minu Ghedina ist ein gewaltiger Roman, in dem man quasi gemeinsam mit der Figur aufwächst und wieder ganz Kind ist.“

get in contact: Buchhandlung Rapunzel – Bahnhofstraße 12, 6850 Dornbirn – www.rapunzel-buch.at – Buchhandlung Rapunzel auf Facebook und Instagram

Anreise: Vom Wiener Hauptbahnhof bringen euch die ÖBB per Railjet in ca. 6:40 Stunden direkt nach Dornbirn.

Und wenn man schon in Dornbirn und Umgebung ist …

… kann man zum Beispiel auf den Karren, den Dornbirner Hausberg, fahren und von dort oben unter anderem den Blick über’s Drei-Länder-Eck genießen oder in der inatura in eine Erlebniswelt rund um Natur, Mensch und Technik eintauchen.