Landpartie 2023-IV: „Da hat zusammengefunden, was zusammengehört“

Würde es eine Computer-Wirtschaftssimulation geben, in der es darum geht, eine Buchhandlung zum Erfolg zu führen, würde es in Baden bei Wien den perfekten Abnehmer dafür geben: Denn Isak Massler, Filialleiter der traditionsreichen Buchhandlung Zweymüller, ist nicht nur mit Leib und Seele Buchhändler, sondern seit frühester Jugend auch Fan von PC-Aufbauspielen wie Civilization oder Age of Empires. „Die Erfahrungen, die man als Kind und Jugendlicher in solchen Aufbausimulationen sammelt, kommt einem als Erwachsenen im Berufsleben definitiv zugute “, sagt Massler im Gespräch mit Books in Vienna, das bei strahlendem Sonnenschein im altehrwürdigen Café Central am Hauptplatz stattfindet. „Man bekommt in diesen Simulationen einen ziemlich realistischen Eindruck davon, wie man unter gewissen zeitlichen Rahmenbedingungen an ein Projekt herangeht. Wohl auch deshalb mag ich die kaufmännischen Aspekte an meiner Position als Filialleiter sehr gerne, was vielleicht nicht bei allen Buchhändlerinnen und Buchhändlern der Fall ist.“

Viel älter als seine Vorliebe für Computerspiele ist Masslers Liebe zur Literatur. „Ich bin ohne Fernseher, dafür aber mit sehr vielen Büchern aufgewachsen“, erzählt er, nachdem der Kellner die Melange-Bestellung aufgenommen hat. „Ich hab’ relativ früh auch schon selbst gelesen, immerhin war das Buch damals für mich das einzige Medium, in dem man sich selbstständig informieren konnte.“ Dementsprechend landeten viele Sachbücher und auch so manches Schulbuch seiner älteren Geschwister auf seinem Bücherstapel. Auch die Bibliothek und die Stadtbücherei waren von Isak Massler oft frequentierte Orte, „meine Sommer habe ich lesend zwischen Büchern verbracht“.

Ein zusätzlicher „Augenöffner“ sei es dann gewesen, als Massler in der 1. Klasse Gymnasium den Hobbit und den Herr der Ringe in der Schulbibliothek entdeckt hat. „Das war damals etwas ganz Neues für mich und mein Einstieg in die Fantasy“. Seiner Liebe für dieses Genre konnte auch die in Teenagerjahren übliche „klassisch pubertäre Lesepause“ nichts anhaben, selbst damals habe er trotz Computerspielen und Fortgehen auch immer ein Buch am Nachtkastl gehabt. Das Faible für Fantasy-Literatur ist ihm bis heute erhalten geblieben, „das ist so ein bisserl mein Guilty Pleasure“, sagt Massler. „Ich bin in den letzten Jahren aber ein bisschen anspruchsvoller geworden, die Bücher sollten einen gewissen literarischen Anspruch haben“, erklärt er und verweist beispielhaft auf die Hexer-Reihe von Andrzej Sapkowski und auf George R. R. Martin (Game of Thrones, „er hat keine Hemmungen, auch mal wichtige Protagonisten über die Klinge springen zu lassen“) sowie auf Anthony Ryan (Raven’s Shadow Trilogie).

Später, nach Matura und Bundesheer, ging Massler nach Wien, studierte an der Hauptuni, gelangte aber irgendwann nach eigener Aussage an ein „Dead End“. Da traf es sich gut, dass die Buchhandlung Zweymüller just zu diesem Zeitpunkt einen Lehrling gesucht hat. „Eigentlich war ich damals viel zu alt für eine Lehre, aber Bücher haben mich eben immer schon von Kleinauf begleitet. Und in diesem Moment hat das dann einfach gepasst, da hat zusammengefunden, was zusammengehört“, erzählt der Spätberufene. Für beide Seiten sei das damals ein Glücksfall gewesen, da er als Erwachsener natürlich schon mehr mitgebracht hat als ein klassischer jugendlicher Lehrling. Sechs Jahre später war er Filialleiter.

Über Sortiment und Ausrichtung der Buchhandlung, die im nächsten Jahr ihr 160-jähriges Bestehen feiert und die seit 1996 zur Kral-Gruppe gehört, bestimmen Massler und sein sechsköpfiges Team vor Ort. „Das entscheiden wir hier sehr individuell, da lässt mir die Geschäftsführung freie Hand.“ Der Schwerpunkt im Sortiment liege dabei auf „Büchern, die wir gut verkaufen“, sagt Massler und lacht. „Aber ganz im Ernst, die Zahlen müssen am Ende des Tages natürlich stimmen und unser Bestand muss eine gewisse Lagerdrehung erreichen. Aber manche Bücher hat man natürlich auch im Sortiment, weil sie einfach schön sind. Und ich selbst bin nicht frei von einer gewissen liebhabergetriebenen Bestückung“, gibt Massler zu und verweist auf die Geschichtsabteilung. „Die ist sicher gewachsen, seitdem ich die Filialleitung mache. Aber die Umsätze haben sich parallel dazu mitentwickelt, insofern ist das schon okay.“

Aber auch die Belletristik erfreut sich in Baden großer Beliebtheit, „Literatur mit Anspruch, die auch schon im Mainstream angekommen ist, verkauft sich bei uns besonders gut“, sagt Massler und verweist auf Autoren wie Robert Seethaler und Daniel Glattauer. Aber auch die in der Region lebende Gertraud Klemm „hat eine große Fangemeinde bei uns“, sagt Massler, genauso wie „unsere Stadtautorin“ Gabriele Hasmann. Und „Wien ist natürlich auch immer ein Thema, denn viele unserer Kunden fahren gerne nach Wien und viele Wiener sind am Wochenende oder im Sommer da bei uns in Baden unterwegs, das merkt man auch bei uns in der Buchhandlung.“

Baden bei Wien bildet mit seinen 26.000 Einwohner*innen dank seiner Nähe zur österreichischen Hauptstadt eine Art Übergangsbereich zwischen Stadt und Land. Und obendrein sei es auch ein guter Boden für eine Buchhandlung, meint Massler. „Es ist eine entzückende Stadt, im Sommer ist es hier fast wie im Urlaub“, gibt er eine kleine Liebeserklärung ab. Profitiert habe die Buchhandlung in ihrer Geschichte auch immer von ihrem Standort, umgekehrt profitiere die Stadt aber bestimmt auch von einem lebendigen Geschäftsleben. „Es ist in gewisser Hinsicht eine Synergie“, so Massler. Eine Synergie, die, geht es nach dem Buchhändler und den Kund*innen der Buchhandlung Zweymüller am Badener Hauptplatz, wohl gerne noch weitere 160 Jahre bestehen bleiben dürfte.

get in contact: Kral-Zweymüller – Hauptplatz 3, 2500 Baden – www.kral-buch.at/kralbaden – Kral-Zweymüller auf Facebook

Anreise: Vom Wiener Hauptbahnhof bringen euch die ÖBB per REX in einer knappen halben Stunde nach Baden. Alternativ könnt ihr auch von Wien Oper mit der Badner Bahn in ca. einer Stunde direkt nach Baden fahren.

Und wenn man schon in Baden und Umgebung ist …

… kann man zum Beispiel eine Runde durch den Kurpark spazieren, sich in einem der Kaffeehäuser in der Innenstadt eine Mehlspeise gönnen oder bei einem Heurigen vorbeischauen und ein Glaserl Wein genießen.