Landpartie 2023-VII: Besondere Buchhandlung mit Hang zu Absurdem

Wer an Salzburg denkt, dem fällt meistens zuerst Mozart ein. Gleich danach kommen die Festspiele oder die über der Stadt thronende Festung Hohensalzburg. Kulinarische Feinspitze haben Salzburger Nockerln oder die Mozartkugeln vom Fürst vor Augen. Dass es aber auch in punkto Buchhandlungen äußerst lohnenswerte Ziele in der Stadt an der Salzach gibt, stellt die Buchhandlung Stierle unter Beweis.

Die seit den 1980er Jahren in der Altstadt, unweit von Residenz- und Mozartplatz, gelegene Buchhandlung geht auf Heinz Stierle zurück, der der alteingesessenen Salzburger Buchhändlerfamilie Höllriegl entstammt (sein Ur-Ur-Großonkel Eduard Höllriegl gab der heute noch bestehenden Buchhandlung Höllriegl ihren Namen). Nicht ganz so lange, nämlich seit sechs Jahren, gehören Carmen und Stephanie zum Team der Buchhandlung Stierle, die seit 2020 Teil der Medici Buchhandels GmbH ist (zu der neben der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung in Innsbruck unter anderem auch Leporello und Buch Stöger in Wien gehören). „Der Name der Buchhandlung wurde aber natürlich beibehalten“, sagt Carmen im Gespräch mit Books in Vienna, „man geht in Salzburg zum Stierle, das ist quasi eine Institution“.

Trotz der Zugehörigkeit zu einer größeren Handelsgruppe kann das dreiköpfige Team vor Ort selbst über das Sortiment bestimmen. „Wir bezeichnen uns gerne als Arche, weil unser Chef uns sehr viel freie Hand lässt und er selbst lichterloh für den Buchhandel brennt. Ihm ist wichtig, dass die einzelnen Buchhandlungen ihre DNA behalten und dass sie nicht austauschbar wirken“, betont Carmen. „Unsere Kundinnen und Kunden wissen das zu schätzen, denn sie kommen ja zu uns, weil sie auf der Suche nach etwas Besonderem sind“, ergänzt Stephanie.

Zu diesem Besonderen gehören für die beiden Buchhändlerinnen Titel, die man abseits der Besteller vielleicht eher nicht so kennt. „Wenn wir mit Vertreterinnen und Vertretern die Programme durchgehen, haben wir bei vielen Büchern oft schon im Kopf, für welchen Kunden dieses oder jenes Buch sein könnte“, sagt Stephanie, während die Kinderabteilung der Buchhandlung von einer fünfköpfigen Familie in Beschlag genommen wird und draußen in der Kaigasse die Touristenströme von einem in die Höhe gestreckten Regenschirm in Richtung Residenzplatz gelotst werden.

Zu diesen besonderen Titeln gehört zum Beispiel Leonard und Paul von Rónán Hession. „Ich bin über Instagram auf den Roman aufmerksam geworden und war beim Lesen total begeistert. Da geht’s um eine Männerfreundschaft, beide Protagonisten sind total schrullig und verschieden, gleichzeitig ist das Buch aber total liebenswert“, gerät Stephanie ins Schwärmen. Erschienen ist das Buch bei Woywod & Meurer, einem Verlag, der extra für die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung dieses Romans gegründet worden ist. Für Carmen ist Paradiesische Zustände von Henri Maximilian Jakobs eines dieser besonderen Bücher, „ein lustiger und lyrischer Debütroman, der total feinfühlig die Geschichte einer Frau auf ihrem Weg zum Transmann erzählt“.

Und dann gibt es natürlich auch Salzburger Autor*innen wie Matthias Gruber, die die beiden sehr zu schätzen wissen. Dieser wird im Rahmen des Salzburger Altstadt-Buchtages am 18. November 2023 (19 Uhr) in der Buchhandlung Stierle aus seinem bei Jung&Jung erschienenen neuen Roman Die Einsamkeit der ersten ihrer Art lesen. „Da freuen wir uns schon riesig drauf, das wird eine richtig coole Veranstaltung mit Musik und allem Drum und Dran werden“, sagt Stephanie.

Neben Belletristik-Titeln und einer feinen Auswahl an feministischer Literatur stehen auch Sachbücher hoch im Kurs in der Kaigasse. „Ich stehe total auf Kulturgeschichten“, gibt Carmen im Gespräch zu Protokoll. „Zum Beispiel die Kulturgeschichte des Handschlags oder ähnliche Titel, solche Bücher finde ich herrlich. Wobei wir alle drei einen leichten Hang zum Absurden haben, was zum Glück bei unseren Kundinnen und Kunden sehr gut ankommt.“ Stephanie ist für Kriminalromane und Thriller zuständig, schaut aber zwischendurch auch gerne mal in eine „Knutschschnulze oder in ein Sachbuch“. Die dritte im Bunde ist Sue, sie ist Fachfrau für Reise und Sachbücher und darüber hinaus das „Trüffelschweinchen“ wenn es darum geht, irgendwo auf der Welt für ein*e Kund*in ein bestimmtes Buch aufzutreiben. „Wenn wir zwei anderen schon all unsere Rechercheideen ausgeschöpft haben, kommt sie und zaubert von irgendwo das gesuchte Werk hervor. Sie ist echt ein Wahnsinn“, erzählt Carmen voller Bewunderung.

Book-related Schnickschnack

Die üblichen verdächtigen Bestseller finden sich aber natürlich auch bei Bücher Stierle. „Eine Lucinda Riley hamma auch da, das ist ja ganz klar“, sagt Stephanie. „Wir wollen ja schließlich nicht snobhaft irgendeinen Lesegeschmack verurteilen. Uns ist wichtig, dass die Leute lesen und dass sie etwas haben, was sie vom Alltag wegholt. Und gerade in der aktuellen Zeit greifen viele Leute zu etwas leichterer Literatur, was ich total gut nachvollziehen kann. Gerade deshalb würden wir uns freuen, wenn es noch mehr Verlage geben würde, die leichte Literatur mit einem gewissen literarischen Anspruch verbinden würden“, betont Stephanie und nennt das bereits erwähnte Leonard und Paul als Beispiel. Abgerundet wird das Sortiment der Buchhandlung Stierle schließlich durch book-related „Schnickschnack“, den die Buchhandlung von Produzent*innen aus der näheren Umgebung bezieht.

Book-related Veranstaltungen gibt es bei Stierle in der Salzburger Kaigasse natürlich auch. „Wir spielen dann mit unseren Möbeln immer ein bisschen Das verrückte Labyrinth, verschieben die Paletten und klappen das Regal im vorderen Bereich zusammen. Das ist immer recht viel Aufwand, aber wir machen das trotzdem gerne“, erzählt Carmen. Neben der bereits erwähnten Lesung von Matthias Gruber im Rahmen des Altstadt-Buchtages besteht zum Beispiel eine Veranstaltungskooperation mit dem Thomas-Bernhard-Institut, in deren Rahmen Schauspielstudierende Texte des Autors vortragen. „Das ist immer eine Wundertüte, man weiß im Vorfeld nie, was an dem Abend passiert“, erklärt Carmen und man kann annehmen, dass dieser Wundertütencharakter dem berühmten Namensgeber des Instituts gefallen hätte.

Freunde des Hauses

Auch bei Jazz in the City sind die Stierles mit von der Partie und im Rahmen von Eat & Meet las zum Beispiel im Vorjahr Ellen Dunne aus Boomtown Blues, während die Besucher*innen mit Cottage Pie, Cider und Co verköstigt wurden. Und wer die fesche Buchhandlung nicht so gern mit anderen fremden Leuten teilen möchte, kann sich unter dem Stichwort Buchgenuss nach Ladenschluss bei Stierle für einen Abend einsperren lassen und nach Lust und Laune in Büchern schmökern. Sorge um die Bücher machen sich die Mitarbeiterinnen bei solchen Events nicht, im Gegenteil. „Das sind oft schon Freunde des Hauses, die passen sehr gut auf die Bücher auf. Eine Bibliothekarin, die das Angebot gerne bucht, hinterlässt die Buchhandlung sogar immer sauberer, als sie sie vorgefunden hat“, erzählt Stephanie.

Freunde des Hauses gibt es auch zahlreich in der Tierwelt, denn unter den Salzburger Hunden hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass es in der Buchhandlung Stierle eine eigene Hundeschublade gibt, die stets prall mit Leckerlis gefüllt ist. „Wir haben sogar schon Videos von enttäuschten Hunden bekommen, die an einem Sonntag traurig vor verschlossener Türe gesessen sind“, erzählt Stephanie und lacht. Damit den Leser*innen von Books in Vienna bei ihrem dichten Salzburg-Programm zwischen Mozarts Geburtshaus, Konditorei Fürst und Festung Hohensalzburg ein ähnliches Schicksal erspart bleibt: Bücher Stierle hat Montags bis Freitags zwischen 9 und 18 Uhr sowie Samstags zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet.

get in contact: Bücher Stierle – Kaigasse 1, 5020 Salzburg – www.buecher-stierle.at – Bücher Stierle auf Instagram und Facebook

Anreise: Vom Wiener Hauptbahnhof bringen euch ÖBB und Westbahn in ca. 2:30 Stunden nach Salzburg.

Und wenn man schon in Salzburg und Umgebung ist …

… kann man zum Beispiel im Haus der Natur Mondlandschaften und Unterwasserwelten erkunden, dem Stiegl-Museum einen Besuch abstatten oder durch den Mirabellgarten flanieren.