Landpartie 2023-VIII: „Ein Buchhändlerjob besteht aus mehr als ein bisserl googeln“

Ein gutes Gedächtnis zu haben, kann Vor- und Nachteil sein, weil manche Dinge, die würde man vielleicht lieber aus seiner Erinnerung verdrängen. Doch in der Tätigkeit als Buchhändlerin zahlt sich ein gutes Erinnerungsvermögen natürlich aus. „Bis vor drei Jahren haben wir noch keine Warenwirtschaft gehabt und deshalb hab’ ich immer wissen müssen, was wir gerade in der Buchhandlung haben und wo ein einzelnes Buch steht. Da trainiert man automatisch sein Gedächtnis“, sagt Rita Erler von der Buchhandlung Riepenhausen in Hall in Tirol. „Ein fast schon beängstigendes Gedächtnis!“, fügt ihr Kollege vom anderen Ende des Verkaufsraums hinzu und lacht.

Reintigern

Von Vorteil ist ein gutes Gedächtnis zum Beispiel auch, wenn es darum geht, der eigenen Kundschaft besondere Bücherwünsche zu erfüllen. „Wir erfüllen viele antiquarische Wünsche. Da sind oft Sachen dabei, wo große Ketten von vornherein sagen, dass man das nicht bestellen kann. Limitierte Spezialausgaben oder Bücher, die man nur über Umwege in Übersee bekommt. In so eine Recherche muss man sich dann halt ein bisserl reintigern, aber Erfahrungen von früheren Bestellungen helfen da natürlich“, erzählt Rita im Gespräch mit Books in Vienna und verweist zum Beispiel auf eine CD, die mal jemand mit seiner Frau gehört hatte und die man dann in Japan aufgetrieben hat. „So ein Buchhändlerjob besteht in meinem Verständnis aus mehr, als ein bisserl googeln.“

Zum Buchhändlerjob gehört für Rita und das vierköpfiges Team auch der persönliche Kontakt mit den Kundinnen und Kunden. „Wir haben viele Stammkund*innen, auch von außerhalb, die extra wegen uns nach Hall fahren. Die finden es bei uns gemütlicher oder fühlen sich in den Filialen der großen Ketten nicht so wahrgenommen, wenn sie als Auskunft nach einem Buch lediglich zu hören bekommen, dass sie ‚dort hinten beim Buchstaben E schauen sollen‘.“ Unter anderem der besondere persönliche Kontakt war es auch, der im Jahr 2021 dazu geführt hat, dass die Buchhandlung Riepenhausen als Österreichische Buchhandlung des Jahres ausgezeichnet wurde. „Immer aber bleiben, getragen von der Liebe und der Leidenschaft der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Buch, die persönliche Beratung, das gute Gespräch, das Menschliche im Vordergrund“, heißt es in der Jurybegründung von damals.

Seit 2007 ist Rita Erler Buchhändlerin, in die Branche ist sie als Quereinsteigerin gekommen. „Eigentlich war ich im Tourismus unterwegs, hab’ dann aber eine Einzelhandelsausbildung absolviert und hier in der Buchhandlung ein Praktikum gemacht. Eines Tages hab’ ich dann den Anruf bekommen, dass ich hier mit zwanzig Wochenstunden anfangen kann.“ Das Angebot hat sie dankend angenommen, denn „man sollte immer das tun, wo einen die Leidenschaft hinführt.“ In Ritas Fall also zu den Büchern. Vor fünf Jahren hat sie schließlich die Leitung übernommen. Die Buchhandlung in der 14.000-Einwohner*innen-Stadt ist dabei Teil eines Unternehmens, das unter seinem Dach neben Papierwarenhandlungen auch eine weitere Buchhandlung in den Stadtgalerien in Schwaz führt.

Seitdem Rita Erler die Leitung inne hat, hat sie das Sortiment Schritt für Schritt umgebaut und die Non-Book-Waren zugunsten von Belletristik und Sachbuch reduziert. „Früher haben wir zum Beispiel auch Ringe verkauft, aber solche Sachen gehören für mich nicht unbedingt in eine Buchhandlung“, erzählt Rita. Um sich auf bestimmte Themen oder Genres zu spezialisieren, dafür fehle leider der Platz, deshalb versteht sich die Buchhandlung als klassischer Buchnahversorger. „Wenn jemand reinkommt und eine Wanderkarte hier aus der Region braucht, müssen wir die natürlich im Angebot haben, sonst wird gleich über dich in der Stadt g’redet“, erzählt Rita und lacht. Zumal Wanderkarten tatsächlich ein großes Thema in Hall sind, vor allem viele junge Leute würden in letzter Zeit die Wanderwege der Region für sich entdecken, zum Beispiel auch den so genannten Traumpfad-Weitwanderweg, der München mit Venedig verbindet. „Und natürlich sind mir Bücher für Kinder ein großes Anliegen“, führt Rita weiter durchs Sortiment, während ihr Kollege im Hintergrund einem Kunden Sprechen Sie Tirolerisch? empfiehlt. „Gerade bei den Bilderbüchern gibt es so viele schöne Neuerscheinungen in den vergangenen Jahren, das macht wirklich Freude.“

Zusammengestellt wird das Sortiment noch auf traditionell haptische Art und Weise. „Ich muss die Vorschauen der Verlage in der Hand haben, nehme sie mir mit nach Hause, arbeite mit Post-Its und überlege mir währenddessen schon, wie wir unsere Schaufenster gestalten.“ Besonders gern arrangiert Rita die Schaufenster übrigens abseits der vorgegebenen Anlässe à la Weihnachten, Ostern oder Erstkommunion, „weil man dann die Schaufenster wirklich individuell gestalten kann.“ Eine individuelle Gestaltung, die vor zwei Jahren auch der Buchhandlungspreis-Jury lobend aufgefallen war („kreativ und anziehend“).

Manche Bücher dauern, bis sie ins Laufen kommen

Die Sortimentsauswahl gestalte sich heutzutage ein bisschen schwieriger als früher. „Wenn du früher einen Norbert Gstrein hing’legt hast, dann ist der von allein gegangen. Heutzutage gibt es gefühlt viel mehr Themen und Special Interests. Die Menschen kommen mir viel kritischer vor, sie wissen auch oft im Vorfeld schon, was sie haben wollen. Und manche Bücher dauern einfach, bis sie ins Laufen kommen.“ Um das Sortiment auch an die Kund*innen zu bekommen, sei es wichtig, als Buchhandlung ein gutes Netzwerk zu haben und präsent sowie sichtbar zu sein. Auch deshalb ist die Buchhandlung Riepenhausen beim Tiroler Krimifest (am 8. Oktober liest Isabella Archan in der Stadtbücherei und am 12. Oktober Volker Kutscher im Kulturlabor Stromboli) und zum Beispiel beim Literaturfest (28. September) im Stromboli mit von der Partie.

Um Bücher, die von den Verlagen schon als Bestseller angepriesen werden, macht Rita ganz gerne mal einen Bogen. Dafür lässt sie sich mit Freude von Büchern überraschen, sucht hie und da auch mal nach der Optik aus. Persönlich liest sie gerne japanische Literatur („japanische Autor*innen sind meisterhaft, wenn es um Beschreibungen geht, das ist oftmals Literatur, bei der man ein bisschen innehält“) sowie französische Autorinnen und Autoren. „Die schreiben ein bisserl befreiter und ungenierter als zum Beispiel die Österreicher“, erklärt Rita Erler ihre Vorliebe für zum Beispiel Annie Ernaux. „Franzosen sind in der Sprache ein bisschen hemmungsloser, während heimische Autoren manchmal nur ungern auf den Punkt kommen. Vielleicht weil sie niemanden verletzen wollen“.

Ausnahmen bestätigen naturgemäß die Regel, Mareike Fallwickls Die Wut, die bleibt findet Rita großartig („hat eine schnelle Sprache, passt perfekt bei dem Thema“), ebenso wie das jüngst auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gelandete Echtzeitalter von Tonio Schachinger. Daneben empfiehlt Rita Erler auch gerne Tiroler Autorinnen und Autoren wie Markus Köhle und Raoul Schrott.

„Viele Kundinnen und Kunden schwärmen beim Betreten der Buchhandlung davon, dass es hier so gut riecht“, sagt Rita Erler zum Abschluss des Gesprächs. „So geht’s mir auch immer, wenn wir die Buchlieferungen auspacken und der Geruch der frisch gedruckten Bücher sich in den Räumlichkeiten verteilt. Das ist schon toll.“ Und toll ist es auch, dass es in Hall in Tirol, an diesem schönen Ort in der Altstadt (die Buchhandlung befindet sich in einem denkmalgeschützten Haus, das von Alois Welzenbacher entworfen wurde), eine solch schöne altehrwürdige Buchhandlung gibt.

get in contact: Riepenhausen Bücher – Langer Graben 1, 6060 Hall in Tirol – www.riepenhausen.at – Ripenhausen Bücher auf Facebook

Anreise: Vom Wiener Hauptbahnhof bringen euch ÖBB und Westbahn in ca. 4:30 Stunden nach Hall in Tirol.

Und wenn man schon in Hall und Umgebung ist …

… kann man zum Beispiel einen nachgebauten Solestollen im Haller Bergbaumuseum erkunden, den Sonnenuntergang am Glungezer bewundern oder am Wattenberg auf Tuchfühlung mit Lamas gehen.