Ein Magazin wie eine Buchhandlung

„Wir sind ein sehr buntes und manchmal etwas unkonventionelles Rezensionsmagazin und stellen sowohl Bücher vor, über die gesprochen wird, als auch Bücher aus unabhängigen Verlagen, die einem so vielleicht im Buchhandel nicht gleich ins Auge stechen.“ So beschreibt Chefredakteurin Katia Schwingshandl den Inhalt der Buchkultur, eines der meistgelesenen Buchmagazine im deutschsprachigen Raum, das seine Redaktionsräumlichkeiten im dritten Wiener Gemeindebezirk hat.

Fast nur Sekundärtexte

Von einem klassischen Literaturmagazin unterscheidet sich die Buchkultur dadurch, dass mit Ausnahme der Kolumnen fast ausschließlich Sekundärtexte im Heft sind. Dass sich in diesen Satz das Wörtchen fast geschmuggelt hat, liegt daran, dass Katia die Sache mit den Primär- und Sekundärtexten seit ihrem Antritt als alleinige Chefredakteurin vor zwei Jahren „ein bisschen aufgelockert hat“. Seither steuern Autor*innen in der Rubrik Zur Sprache kommen Texte bei, die mit dem Thema Mehrsprachigkeit in Verbindung stehen.

Jorghi Poll verleiht dem Buchkultur Magazin mit seinen Coverentwürfen einen unverwechselbaren Still

Seit 1989 erscheint die Buchkultur im Zweimonatsrhythmus, vierteljährlich liegen darüber hinaus Sonderhefte dem Magazin bei. Je nach Angebot und Neuerscheinungen setzt die Redaktion Schwerpunkte, in der aktuellen Ausgabe 211 zum Beispiel das Thema Biografien. Seit September gibt es auch einen eigenen Podcast, der von Petra Gruber bespielt wird und mehr sein soll, als ein Format für Buchbesprechungen. Zuletzt zu Gast war dort Jorghi Poll, der die Chefredaktion der Buchkultur bis 2022 ausübte.

„Das klappt ganz gut“

Der Podcast, das reguläre Heft, die jährliche Organisation vom Wissenschaftsbuch des Jahres, die Sonderhefte – „das reicht als Pensum“, sagt Katia und das glaubt man ihr gerne. Denn organisiert und geplant werden all die Formate von einem relativ kleinen Team. „Aber dafür, dass wir so wenige sind, klappt das ganz gut“, erzählt Katia im Gespräch mit Books in Vienna. Und Zeit und Raum für neue kreative Ideen bleibt zum Glück auch, so wird heuer erstmals ein Young-Adult-Sonderheft erscheinen.

Der zweimonatige Erscheinungsrhythmus sei in der heutigen schnelllebigen Zeit Fluch und Segen zugleich. Ziel sei es jedenfalls nicht, dem tagesaktuellen Feuilleton hinterherzuhecheln, sondern Bücher ins Rampenlicht zu stellen, die Eindruck bei den Rezensent*innen hinterlassen haben. Wobei es keineswegs so ist, dass in der Buchkultur stets nur Bücher über den grünen Klee gelobt werden. „Wir sind unabhängig in unserer Meinung“, betont Katia. „Die Meinungen sind immer jene der Rezensent*innen. Wenn sie ein Buch nicht gut finden, dann schreiben sie das auch so. Das kann natürlich, mit Blick auf die Inserate, ein schmaler Grat sein“, gibt Katia zu, „aber selbst wenn wir mal einen Verriss drinnen haben, verstehen die Verlage das. Wir bekommen von Verlagsseite eher noch den Push, dass wir wirklich ehrlich mit unserer Meinung sein sollen“.

Über einen Pool von zwanzig bis dreißig Rezensent*innen verfügt die Buchkultur, „das schwankt immer ein bisschen.“ Sie alle verbindet die Liebe zur Literatur und viele von ihnen fühlen sich mit der Buchkultur, die heuer ihren 35. Geburtstag feiert, verbunden. „Die machen das echt aus Leidenschaft. Ein Konrad Holzer zum Beispiel, der ist über achtzig Jahre alt und schon ewig in Pension. Der würde aber nie darauf verzichten, für uns zu schreiben“, freut sich Katia. Mit den Herausgebern Michael Schnepf und Nils Jensen sind Autoren dabei, der schon die Gründung der Buchkultur initiiert haben. Rezensent*innen wie Karoline Pilcz oder Alexander Kluy sind ebenfalls schon seit den 2000ern mit dabei.

Keine Angst vor Sozialen Medien

Konkurrenz von den zahlreichen Rezensent*innen auf Sozialen Medien und Blogs fürchtet man bei der Buchkultur nicht so richtig. Mit einem gedruckten und schön gestalteten Heft sei man mittlerweile zu einer Art Luxusprodukt geworden, zudem unterscheide sich die Zielgruppe, die man anspreche, recht deutlich. „Außerdem ist es etwas ganz anderes, so ein gesammeltes Kompendium in Magazinform vor dir zu haben, während auf Sozialen Medien durch die Alghorithmen alles etwas willkürlich erscheint. Und ich finde es auch ganz gut, dass wir im gedruckten Magazin ohne Likes auskommen und somit sehr viel wertfreier sind.“

Auch Katia rezensiert selbst immer wieder, „ich bin total glücklich, mich für die Buchkultur mit coolen Neuerscheinungen, die ganz neu funkeln und noch niemand gelesen hat, beschäftigen zu dürfen. Wir sind immerhin mit als Erste in der Lage zu bewerten, ob das, was ein Verlag über ein Buch schreibt, tatsächlich stimmt oder nicht.“ Welche Neuerscheinungen sie anfunkeln oder neugierig machen, sei dabei total „random“. Wichtig ist für sie, dass sie auf den ersten Seiten von der Sprache gecatcht wird, „dass diese locker und flockig ist, sich nicht querstellt oder zu abgehoben ist“. Wenn das Buch inhaltlich dann auch noch mit dem eigenen Leben zu tun hat, zur eigenen Lebensphase passt, bestehen gute Chancen, dass Katia in das Buch reinkippt. „Wobei es natürlich auch spannend sein kann, in eine Welt abzutauchen, mit der man gar nichts zu tun hat.“ Eine ihrer Redaktionsempfehlungen waren zum Beispiel die Diamantnächte von Hilde Rod-Larsen, ein Buch, in dem verhandelt wird, wie man über ein traumatisches Erlebnis schreiben kann und wie weit man die Sprache von sich selbst distanzieren muss, um in der Lage zu sein, über schlimme Dinge berichten zu können. „Das war so klug und eindrücklich beschrieben, das hat mich wirklich sehr beeindruckt“, erzählt Katia.

Zum Thema Buch ist Katia Schwingshandl „ganz klassisch“ über ein Germanistik- und Philosophie-Studium gekommen. „Gelesen habe ich aber immer, schon mit zwölf oder dreizehn Jahren habe ich versucht, Bücher zu lesen, die viel zu hoch für mich waren. Bei Dostojewski habe ich ganz schön gekiefelt, aber die Buddenbrooks habe ich damals in einem Zug durchgelesen und fand sie irre cool.“ Schon während des Studiums hat sie begonnen, Rezensionen zu schreiben. „Ich habe bei vielen Leuten, die gerne lesen, gemerkt, dass sie das nicht mehr so gerne tun, wenn sie etwas lesen müssen. Bei mir war es immer umgekehrt, mich spornt das eher an“, erzählt die Chefredakteurin, die ihre Masterarbeit über Paul Celan geschrieben hat. „Dieses Abgründige“ habe sie damals bei Celan fasziniert. „Heutzutage ist das Leben selbst schon so abgründig geworden, das ich in der Literatur eher einen Ausgleich suche“, sagt sie und lacht.

Durch das Heft spazieren …

Nach einer Reihe von Praktika bei Verlagen und Medien hat Katia schließlich begonnen, auch für die Buchkultur Rezensionen zu schreiben. „Irgendwann ist dann der Hannes Lerchbacher als Chefredakteur abgetreten und Jorghi Poll hat als Chefredakteur gemeinsam mit mir als Chefin vom Dienst übernommen.“ Jorghi Poll, der gemeinsam mit Sarah Legler die Geschicke der Edition Atelier leitet, organisierte und modernisierte damals zusammen mit Max Freudenschuss auch das Layout und Konzept der Buchkultur. Die Idee war es, das Heft gestalterisch wie eine Buchhandlung aufzuziehen. „Man kann durch das Heft genauso durchspazieren wie durch eine Buchhandlung, in der bestimmte Titel in das Sichtfeld gerückt werden.“

Auch wenn Jorghi sich zwischenzeitlich wieder auf die Verlagsarbeit konzentriert, ist die Idee der Heftstruktur beibehalten worden. Und er ist der Buchkultur zumindest als Illustrator der Heftcover erhalten geblieben. „Der Stil vom Jorghi ist mittlerweile zum Stil der Buchkultur geworden, die Illustrationen geben dem Heft dadurch nochmal ein ganz eigenes Gesicht.“ Illustrationen, die dazu beitragen, dass die Buchkultur tatsächlich „ein unkonventionelles Rezensionsmagazin ist, über das gesprochen wird.“

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Fotos: Buchkultur (3), Privat (1)